Grundlegende Überarbeitung des Diagnostic and
Statistical Manual of Mental Disorder (DSM, Handbuch für Diagnose und Statistik
bei mentalen Störungen)
- Tiefenforschung zu Wandel und Konzeptualisierung von mentalen Störungen -
Hana KUBOTA, Takeshi
MATSUISHI
Abstract
I.Zielsetzung der Studie
Autismus wird
derzeit als „eine Entwicklungsstörung infolge eines Hirnschadens“ definiert. Bis in die 1960er galt Autismus jedoch als
„eine
psychologische Störung, die zu einer geistigen Abkapselung führt“ oder als
„frühkindliche Form der Schizophrenie“. Wie kam es zu diesem radikalen Wandel? Nicht nur die Auffassungen von Autismus,
sondern der gesamte Forschungsschwerpunkt auf dem Gebiet der mentalen Störungen
verlagerte sich zwischen dem Ende der 1960 und den 1980ern von der psychogenen
Theorie zur organischen Theorie der biologischen und anderweitigen
Psychiatrie. Ich erkannte die
grundlegende Überarbeitung des weit verbreiteten Diagnostic and Statistical
Manual of Mental Disorder (DSM, Handbuch für Diagnose und Statistik bei mentalen
Störungen), herausgegeben von der American Psychiatric Association, als eine
treibende Kraft dieses Wandels. Das
Handbuch verwarf Psychologie-basierte Psychoanalyse zugunsten eines neuen
Ansatzes, der wissenschaftliche Beweise forderte. Diese Erkenntnis wirft eine weitere Frage
auf: Warum durchlief das DSM diesen radikalen Wandel?
1.Die ersten beiden Ausgaben des DSM unterscheiden sich grundlegend von
der dritten Ausgabe (DSM-III). In den ersten beiden Ausgaben
basieren die diagnostischen Standards auf psychogener Theorie, die wiederum in
Psychodynamik wurzelt. In der dritten
Ausgabe hingegen stützen sich die diagnostischen Standards nicht auf
Psychodynamik, sondern auf objektive Tatsachen und wissenschaftliche
Grundlagen.
2.In diesem Artikel untersuche ich den Hintergrund dieses Wandels und die
Evolution des Verständnisses mentaler Störungen.
II.Die Entstehung des DSM-III und sein Hintergrund
1.Vergleich von DSM-I,II und DSM-III
|
DSM-III |
DSM-III |
Anz. der Störungen |
130(II) |
265 |
Diagnose |
Psychodynamische Etiologie auf Grundlage der Psychologie des Patienten |
Beschreibender, mechanischer, praktischer, symptomatologischerAnsatz. Multi-Axis-Diagnose |
Grundkonzept |
Psychodynamik (Psychoanalyse) |
Wissenschaftliche, medizinische, objektive Konzepte |
Tabelle 1 Vergleich von DSM-I,II und DSM-III
2.Grund für Wandel des DSM-III
(1)Aufkommen der Verhaltenstherapie
Seit den 1950ern wächst die Bedeutung der Verhaltenstherapie in den USA.
Dabei stehen objektive Beobachtung sowie Experimente zu Lernvorgängen und
Umgebung im Vordergrund.Psychoanalyse mit dem Schwerpunkt auf
Bewusstsein, Selbstbeobachtung und Instinkt verlor an
Bedeutung.
(2)Entwicklung eines biologischen Ansatzes bei mentalen Störungen
Mit der Verbreitung psychotropisch wirkender Drogen in den 1960ern kam es zu einem radikalen Wandel in der Behandlung mentaler Störungen.Biologische Forschung erhielt
gewann durch die Entwicklung psychotropisch wirkender Drogen neue
Impulse.
(3)Inkonsistenz von Diagnosen
Sowohl in der Praxis als auch in einer Reihe von Studien traten Inkonsistenzen
von Diagnosen zu Tage, die auf den bisherigen diagnostischer Standards
(DSM-I und II etc) basierten. Eine Überarbeitung dieser Standards wurde
erforderlich.
(4)Sozialbewegungen
Die vertrauten diagnostischen Standards änderten sich durch den Einfluss
von Versicherungs- und Pharmaunternehmen sowie politischen Interessengruppen.(Beispiele sind Homosexualität und
Post-traumatisches Belastungssyndrom (PTSD))
(5)Soziale Integration amerikanischer Juden
Die Förderung der Psychoanalyse verlor an Bedeutung, weil a) Mischehen zu einer Verwässerung der jüdischen Kultur führten und b) die amerikanische Gesellschaft mehr Toleranz für andere Rassen entwickelte.
3.Von der Psychoanalyse zu wissenschaftlichen Indikationen-Beschreiben mentaler Störungen-
Durch die Verlagerung von psychogener Theorie auf Grundlage der
Psychoanalyse zu wissenschaftlichen Indikatoren erlangte Psychiatrie den Status
einer medizinischen Disziplin zurück. Im
Gegensatz zu anderen Krankheiten erfordert die Diagnose mentaler Störungen
soziale Kontextualisierung und muss daher auch das soziale Umfeld
berücksichtigen. Mentale Gesundheit
beruht auf den Beziehungen des Einzelnen zu seinem sozialen Umfeld und auf
seiner individuellen Veranlagung, daher lässt sie sich nicht allgemeingültig
definieren. Somit ist auch keine
allgemeingültige Definition mentaler Störungen möglich. Die Feststellung des Normalen und Abnormalen
gestaltet sich sehr schwierig.
III Schlussfolgerungen
Die Studie führte zu den folgenden Ergebnissen:
Der Wandel im Verständnis mentaler Störungen zwischen DSM-I,II und DSM-III
basiert auf der
1.Entwicklung neuer Behandlungsansätze wie z. B. Verhaltenstherapie sowie
der revolutionären Behandlung mit psychotropisch wirkenden Drogen. Biologische
Psychiatrie überholte daher das Paradigma der psychodynamischen Psychoanalyse
(DSM-I und II). Die soziale Integration amerikanischer Juden
stellte einen unterschwelligen Einfluss auf diese Entwicklung
dar.
2.Aufgrund fortschrittlicher biologischer Forschungstechniken (z. B. Hirn-
und Genforschung) konnte die biologische Psychiatrie entwickelt werden. Dadurch erhielt Psychiatrie
erneut den Status einer medizinischen Disziplin, was wiederum mit einer
grundlegenden Revision diagnostischer Klassifikationen
einherging.
3.Gleichzeitig erzwungen soziale Situationen und politischer Druck eine
Revision der diagnostischen Standards. Das Ergebnis dieses Wandels sind die derzeitigen wissenschaftlichen diagnostischen
Standards (DSM-III).
IV
Bibliographie
American Psychiatric Association, "DSM-II", 1968
American Psychiatric Association, "DSM-III", 1980
American Psychiatric Association, "DSM-IV", 1994
Edward
Shorter, "History of Psychiatry: From the Era of the Asylum to the Age of
Prozac" 1997
Herb Kutchins
& Stuart A.Kirk, "MAKING US CRAZY" DSM-The Psychiatric Bible and the
Creation of Mental Disorders" 1997
etc.
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