Die Rolle des
Heilpädagogen in der Heilpädagogik
Gabor TOTH, Takeshi MATSUISHI
Zunächst muss
ich erwähnen, was andere (vorwiegend europäische) Wissenschaftler über den
Heilpädagogen geschrieben haben. Deinhardt und Georgens (1861,
Deutschland) schrieben ein zweibändiges Buch über den Unterricht behinderter
Kinder. Ihrer Ansicht nach liegt die Aufgabe des Heilpädagogen in der
Heilerziehung. In Ungarn verwenden wir noch immer die ungarische Entsprechung
dieses Begriffs, "gyógypedagógus", für den Heilpädagogen.
A. R.
Luriua, weist in seinem "Handbook of
Mental Deficiency" darauf hin, dass die Spezialität des Heilpädagogen die
"neurologische Kompensation" ist. Das bedeutet, dass die Aufgabe des
Heilpädagogen in der erzieherischen Rehabilitation, Psychopädagogik, Readaption,
Kompensation, Heilung, Regeneration und Ausbildung besteht, während die des
"normalen" Lehrers/Pädagogen sich für gewöhnlich auf Letzteres
beschränkt.
Nach diesen Beispielen möchte ich, als Heilpädagoge, nun
meine persönliche Meinung darlegen: Die Spezialität des Heilpädagogen ist nicht
nur eine Ausbildungs- oder Lehrmethode. Bei dieser Arbeit geht es mehr um
Rehabilitation als um eigentliches Lehren. Es ist nicht "nur" Lehren
(Vermittlung von Wissen und Informationen an Schüler), sondern eine Lebensweise.
Heilpädagogen arbeiten nicht nur mit Schulkindern; manchmal beginnen sie ihre
Arbeit bereits mit Neugeborenen, und sie arbeiten auch noch mit Erwachsenen.
Es
ergibt sich eine Dreipunkteskala:
1. Erziehung
(Arbeit mit behinderten Kindern gleich nach der Geburt, nicht erst ab
Schulalter)
2. Ausbildung (sie geht weit über das Schulalter hinaus
und wird während des gesamten Lebens fortgesetzt)
3.
Persönlichkeitsentwicklung (dies ist der Hauptteil der Theorie der persönlichen
Entwicklung)
In den 70er Jahren entwickelten Wolfensberger, Nirje
und Bank-Mikkelsen eine Strategie für die Betreuung behinderter
Menschen. Dieses Konzept ist als "Normalisierungsprinzip" bekannt. Von jeher hat
diese Denkweise die Heilpädagogik beeinflusst; dies ist auch heute noch der
Fall. Das Ziel dieser Theorie ist es, behinderte Kinder in die größere
Gemeinschaft nicht-behinderter Kinder zu integrieren. Auf diese Weise können sie
ein so normales Leben wie möglich führen.
Was diese Arbeit
auch so besonders macht, ist ihre enge Verknüpfung mit der Wissenschaft. Im
vergangenen Jahrhundert hat die Wissenschaft größere Fortschritte gemacht als in
den vorangegangenen 500 Jahren (vor 15 Jahren waren beispielsweise 5 neuronale
Transmitter bekannt, in den letzten 5 Jahren wurden 15 weitere entdeckt; daher
bezeichnet man die vergangenen 10 Jahre als "das Jahrzehnt des Gehirns"). Da die
Heilpädagogik eng mit anderen Wissenschaften verwandt ist, wurde sie durch die
neuen Ansätze stark verändert. Denken wir nur an die Pränataldiagnostik, die
Erfindung des Brutkastens, Fortschritte in der Neurologie, neue psychologische
und soziologische Ansätze usw. Dieser Umbruch ist noch im Gange, weshalb
Heilpädagogen die Entwicklungen all dieser Wissenschaften eng verfolgen müssen,
um die neusten Forschungsergebnisse für eine effektivere Therapie und
Verbesserung der Betreuung behinderter Menschen nutzen zu können. Wir bezeichnen
dies als "Paradigmenwechsel" in der Wissenschaftsentwicklung. All dies sind
Aufgaben des Heilpädagogen. Darum unterscheiden sie sich von Pädagogen in der
"normalen" Ausbildung. Abbildung 1 –
Zusammenfassung dieses Teils (s. Abbildung 1)
Die andere Besonderheit des Heilpädagogen besteht darin,
dass er sowohl akademisch (Ausbildung) als auch therapeutisch
(medizinisch-psychologischer Ansatz) tätig ist. Er ist ein Pädagoge mit
Sonderausbildung und unterscheidet sich auch dadurch von "normalen" Pädagogen.
Die Sonderausbildung bereitet ihn auf 7 Entwicklungsbereiche vor, um beste
Bedingungen für die Erziehung zu schaffen:
1.
Verhalten
2. Soziale Fähigkeiten
3. Sprachliche
Fähigkeiten
4. Emotionale Fähigkeiten
5. Fähigkeit, für
sich selbst zu sorgen
6. Kognitive Fähigkeiten
7. Akademische
Entwicklung
Hierfür muss der Heilpädagoge mit anderen Fachleuten,
z. B. Ärzten, Psychologen, Sozialarbeitern (s. Abb. oben), als Team
zusammenarbeiten. Für die Erstellung eines geeigneten Entwicklungsplans für das
Kind sowie das gegenseitige Verständnis benötigt der Heilpädagoge Kenntnisse der
Anatomie, Neurologie, Pathologie, Psychologie, Soziologie usw. Das bedeutet,
dass er Sachkenntnisse vieler verschiedener Wissenschaften besitzen muss. Daher
spricht man hier im englischen Sprachraum von "Special Education"
(Sonderausbildung) und einer "Complex Science" (komplexen, umfassenden
Wissenschaft). Die Arbeit des Heilpädagogen besteht auch darin, die Teamarbeit
zu leiten und zu gestalten und gemeinsam mit den anderen Fachleuten und dem
vereinten Fachwissen einen Entwicklungsplan für das Kind zu erstellen, denn
letzten Endes ist er derjenige, der die Therapie mit dem Kind tatsächlich
durchführt.
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