Eine Studie zu Komplikationen bei mentaler Retardierung

Akiko YOSHIDA, Tomoko SUGANO, Takeshi MATSUISHI, Keiko ENDO, Yoshiteru YAMADA


Zusammenfassung

     Komplikationen bei mentaler Retardierung wurden auf Grundlage der Studie zu Personen mit mentaler Retardierung untersucht, die zwischen Oktober 1987 und März 1989 die in der Behindertenhilfe von Yokohama in Behandlung waren. Insgesamt nahmen 377 Menschen an der Studie teil, davon waren 239 männlich und 138 weiblich. Der jüngste Patient war 14 Jahre alt, der älteste 58; das Durchschnittsalter betrug 22 Jahre.

1) Epilepsie
     Die häufigste Komplikation bei mentaler Retardierung ist Epilepsie. Sie trat bei 106 Personen auf (28,1 %). Bei zunehmender Schwere der mentalen Retardierung nimmt auch die Häufigkeit von Epilepsie zu. Während 53,8 % der Patienten mit schwerster mentaler Retardierung an Epilepsie litten, waren es bei denen mit schwerer mentaler Retardierung nur 23,8 %, bei denen mit mäßiger 26,3 %, bei denen mit leichter 18,8 % und bei Grenzfällen 7,5 %. In den meisten Fällen wurden Antiepileptika verabreicht. Die wenigsten Patienten litten permanent an Epilepsie.

2) Körperliche Komplikationen
     Körperliche Komplikationen wurden bei 55 Personen (14,6 %) beobachtet. Zu dieser Art von Komplikationen zählten vor allem Katarakte, Strabismus und andere leichte körperliche Störungen.

3) Emotionale Störungen/Schizophrene Psychosen
     In dieser Studie bezeichnen wir mit „emotionale Störungen“ einen unstabilen emotionalen Zustand, der mit Psychotonika behandelt werden muss. Ein solcher Zustand konnte bei 45 Personen (11,9 %) beobachtet werden. In den meisten Fällen war die Störung nur vorübergehend.
     Schizophrene Psychosen in Verbindung mit paranoid-halluzinatorische Schizophrenien wurden bei 4 Personen (1,1 %) festgestellt, woraus deutlich wird, dass bei mental retardierten Patienten schizophrene Psychosen nicht häufiger auftreten als bei der Bevölkerung insgesamt.

4) Autismus
     Die Autismusdiagnose orientierte sich an den im „DSM III-R“ aufgeführten Kriterien. 54 Personen (88,5 %) der von Autismus betroffenen Patienten waren Männer, 7 Personen (11,4 % Frauen), somit beträgt das Verhältnis ca. 7,7:1. Dieses Ergebnis stimmt mit der allgemeinen Beobachtung überein, dass Männer sehr viel häufiger an Autismus leiden als Frauen.
     Insgesamt trat Autismus bei 16,2 % der Patienten mit mentaler Retardierung auf. Dieser Wert entspricht in etwa dem Untersuchungsergebnis von Nordin et al. 1) von 19,8 %.
     Der über den Binet-Test ermittelte durchschnittliche Intelligenzquotient (IQ) der mental retardierten Patienten mit Autismus lag bei 42,4, während der durchschnittliche IQ der anderen Patienten bei 39,0 lag. Obwohl Autismus im gesamten Spektrum der mentalen Retardierung auftrat, von Fällen schwerster Retardierung bis hin zu Grenzfällen, wurde doch die Annahme von Smalley et al.2), dass nämlich „die Häufigkeit des Vorkommens von Autismus bei Menschen mit geringerem IQ leicht höher [ist] als bei denen mit einem höheren IQ“, durch unsere Studie bestätigt.

5) Defizite im adaptiven Verhalten
     In dieser Studie bezeichnet „Defizite im adaptiven Verhalten“ geringfügige Anomalien (wie Adaptationsstörungen im sozialen Bereich) bis hin zu schweren Anomalien (einschl. Gewalt). Bei von mentaler Retardierung betroffenen Patienten, die nicht an Autismus litten, waren die Fälle von Defiziten im adaptiven Verhalten umso seltener, je geringer die Retardierung ausgeprägt war. Im Gegensatz dazu nahm bei Patienten, die sowohl an mentaler Retardierung als auch an Autismus litten, mit geringerer Stärke der Retardierung die Häufigkeit von Defiziten im adaptiven Verhalten zu. Bei Patienten mit mentaler Retardierung, aber ohne Autismus, war das Verhältnis wie folgt: 12,1 % der Menschen mit schwerster mentaler Retardierung waren betroffen, 6,9 % der Menschen mit schwerer mentaler Retardierung, 8,6 % der Menschen mit mäßiger mentaler Retardierung, 1,7 % der leichten Fälle und 0 % der Grenzfälle. Bei Patienten mit mentaler Retardierung und Autismus war das Verhältnis wie folgt: 17,2 % der Menschen mit schwerster mentaler Retardierung waren betroffen, 41,4 % der Menschen mit schwerer mentaler Retardierung, 28,5 % der Menschen mit mäßiger mentaler Retardierung, 50 % der leichten Fälle und 79,3 % der Grenzfälle.
     Die Häufigkeit des Auftretens von Defiziten im adaptiven Verhalten von Menschen mit mentaler Retardierung und Autismus (alle Kategorien) betrug 39 %. Das ist vier Mal höher als bei Patienten mit mentaler Retardierung, aber ohne Autismus. Daraus lässt sich folgern, dass bei der Versorgung mental retardierter Patienten denjenigen Patienten, die darüber hinaus an Autismus leiden, besondere Sorgfalt zuteil werden muss.


Referenzmaterial
1)Nordin, V. and Gillberg, C. :Autism spectrum disorders in whildren with phisical and mental disability or borth I clinical and epidemiological aspects, Dev. Med. Child Neurol., 38.297-313, 1996
2)Smalley, S, L.. and Asarnow, R, F. :Brief report: cognitive subclinical markers in autism, J. Autism Dev. Disord., 20,271-278, 1990

(ursprünglich erschienen im Journal of Disability and Medico-Pedagogy, Vol 15, 2007)

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